Dieser Text basiert auf den Ideen zu kraftvoller Hilfe unseres Mentors Bill McCarley, die wir übersetzt, erklärt und mit Beispielen versehen haben.
Helfen ist mitunter eine knifflige Angelegenheit. Das gilt sowohl für die Person, die helfen möchte, als auch für die (vermeintlich) hilfsbedürftige Person.
Wenn wir helfen wollen, sind wir mitunter weniger altruistisch motiviert als wir uns selbst und anderen eingestehen. Nicht selten bieten wir Hilfe an, um unsere eigenen Ängste zu beruhigen. Gerade wenn es uns nahestehenden Menschen nicht gut geht, neigen wir dazu, einen schnellen Ratschlag abzugeben (siehe Dynamik des Control Cycle), damit wir uns wieder besser fühlen können. Das Gegenüber müsste ihn „einfach nur“ befolgen.
Als hilfsbedürftige Person ist man aber eben zuweilen nur vermeintlich hilfsbedürftig und wird von anderen zu hilfsbedürftig erklärt, obwohl man das vielleicht nicht ist und gar nicht nach Hilfe oder Rat sucht, sondern nach Mitgefühl. Aufgezwungene Hilfe kann sich dann übergriffig und bevormundend anfühlen. Wenn man tatsächlich nach Hilfe sucht, kann es ebenfalls vorkommen, dass man einen Ratschlag möchte. »Sag mir, was ich tun soll!«. Das hat ggf. zur Folge, dass man beim Befolgen des Rats der Meinung ist, dass die Person, die den Ratschlag erteilt, auch die Verantwortung für das Gelingen der Hilfe hat. Du merkst wahrscheinlich: Puh, das mit dem Helfen wird schnell ganz schön kompliziert. Wenn du dafür Hilfe haben möchtest, biete ich im Folgenden Hilfestellung an.
Damit Hilfe kraftvoll ist und wirklich hilft, müssen folgende sieben Bedingungen erfüllt sein:
- Hilfe muss erbeten werden
- Hilfe muss angeboten werden
- Hilfe muss angenommen werden
- der angebotenen Hilfestellung muss sich gestellt werden können
- die Hilfestellung muss gelegen kommen/bequem sein
- die Lösungshilfe muss in die Tat umgesetzt werden
- die Hilfestellung muss funktionieren
Hilfe muss erbeten werden
Der erste wichtige Schritt ist es, dass Hilfe tatsächlich erbeten werden muss. Wenn jemand von einem Problem erzählt, vermuten wir zwar oft, dass es sich um eine Bitte um Hilfe handeln würde, aber das ist nicht automatisch der Fall.
Der klarste Fall ist, dass ich explizit um Hilfe gebeten werde. Ich könnte auch nachfragen, ob Hilfe gewünscht ist, allerdings fällt vielen Menschen das Nein-Sagen sehr schwer, sodass das Ja möglicherweise nicht 100%ig zutrifft.
Beispiel mit der nicht erfüllten Bedingung: Paul berichtet zu Hause von einem schwierigen Gespräch mit seinem Chef, über das er sich immer noch ärgert. Seine Frau Nora empfiehlt ihm, dass er sich doch einen neuen Job suchen soll, wo ihn der Chef mehr zu schätzen weiß. Jetzt ärgert sich Paul auch über Nora, denn er wollte keine Hilfe oder Rat (sondern das Mitgefühl seiner Frau).
Erfolgreiches Beispiel: Paul berichtet zu Hause von einem schwierigen Gespräch mit seinem Chef, über das er sich immer noch ärgert. Seine Frau Nora nimmt ihn in den Arm und spricht Paul Mitgefühl aus. Nach einer Weile fragt Paul: Kannst du mir behilflich sein, um mit dieser Situation einen leichteren Umgang zu finden?
Hilfe muss angeboten werden
Nicht zu jeder Bitte um Hilfe gibt es auch ein passendes Angebot. Für kraftvolle Hilfe ist es wichtig, dass die helfende Person aus freien Stücken entscheidet, ob sie Hilfe anbieten möchte.
Ähnlich wie die Übergriffigkeit unerwünschter Hilfe ist auch das unerwünschte Helfen nicht so kraftvoll wie das Helfen aus Überzeugung. Hinzu kommt, dass der helfenden Person ja auch eine Idee für eine Hilfestellung einfallen muss. Diese kann eher methodisch sein, wenn man also dabei unterstützt, dass das Gegenüber selbst eine Lösung findet, oder sie liegt im gemeinsamen Erforschen und Finden konkreter Handlungsoptionen.
Beispiel mit der nicht erfüllten Bedingung: Paul fragt Nora, ob sie ihm behilflich sein kann. Nora druckst ein bisschen herum, weil sie merkt, dass sie das Thema triggert. Denn sie liegt mit ihrer eigenen Chefin auch gerade im Clinch. Sie erklärt dies Paul, und beide beschließen gemeinsam, dass sie sich jeweils woanders Unterstützung suchen.
Erfolgreiches Beispiel: Paul fragt Nora, ob sie ihm behilflich sein kann. Nora möchte das gerne und sagt sofort zu. Sie hat auch schon ein paar Ideen, was Paul vielleicht tun könnte, will aber erst einmal gemeinsam mit Paul seine Situation noch besser verstehen.
Hilfe muss angenommen werden
Nur die Person, die Hilfe möchte, entscheidet darüber, ob sie die angebotene Hilfe annehmen will. Letztlich soll die Hilfe ja ihr Problem lösen.
Außerdem muss die Hilfe oft in großen Teilen selbst umgesetzt werden, sie wird also vermutlich auch nur angenommen werden, wenn die Person das Angebot in eigene konkrete Schritte umsetzen kann.
Beispiel mit der nicht erfüllten Bedingung: Nora schlägt Paul vor, dass er noch einmal das Gespräch mit dem Chef sucht, um offene Punkte zu klären. Paul will das nicht, zumindest nicht in nächster Zeit.
Erfolgreiches Beispiel: Nora schlägt Paul vor, dass er sich auf das neue Projekt einlässt, obwohl der Chef nach Pauls Meinung die Rahmenbedingungen nicht ausreichend geklärt hat. Nora meint, Paul könne es ja einfach so gut machen, wie er kann und auf dem Weg weitere Klarheit gewinnen. Das gefällt Paul, und er will es ausprobieren.
Der angebotenen Hilfestellung muss sich gestellt werden können
Die angebotene Hilfestellung muss so sein, dass die hilfesuchende Person sich ihr stellen kann. Es nützt wenig, einem Menschen Hilfe anzubieten, die überfordert oder Angst und Widerstand auslöst.
Dabei kann deutlich werden, dass die Fähigkeit, SICH zu STELLEN (3. Schlüssel zu Verantwortung), zwischen der Person, die Hilfe anbietet, und der, die Hilfe sucht, sehr unterschiedlich ist. Dadurch fällt der helfenden Person möglicherweise nicht auf, dass sie Vorschläge macht, die für sie in derselben Situation passen würden, aber eben nicht fürs Gegenüber.
Beispiel mit der nicht erfüllten Bedingung: Paul müsste für das neue Projekt mit zwei anderen Abteilungen kommunizieren, kommt aber mit dem Abteilungsleiter von Sales gar nicht zurecht. Mit dem will und wird er nicht reden.
Erfolgreiches Beispiel: Paul müsste für das neue Projekt mit zwei anderen Abteilungen kommunizieren, kommt aber mit dem Abteilungsleiter von Sales gar nicht zurecht. Nora schlägt vor, dass er den Kontakt zur Sales-Abteilung an einen seiner Projekt-Mitarbeiter delegiert. Das kann Paul sich gut vorstellen.
Die Hilfestellung muss gelegen kommen/bequem sein
Selbst wenn sich der Hilfestellung gestellt werden kann, muss sie ausreichend gelegen kommen oder bequem und komfortabel genug sein, damit sie tatsächlich umgesetzt wird. Auch hier entscheidet wieder die Person, die Hilfe sucht, ob die angebotene Hilfe leicht genug umgesetzt werden kann oder ob es zu unbequem ist.
Das gilt es beim Anbieten von Hilfe zu berücksichtigen, damit es eine kraftvolle Lösung wird. Und auch hier kann es individuelle Unterschiede geben, was als komfortabel oder bequem empfunden wird oder gelegen kommt.
Beispiel mit der nicht erfüllten Bedingung: Paul könnte den Sales-Kontakt an seine Kollegin Anna delegieren, aber die hat gerade so fürchterlich viel zu tun, da will er nicht zusätzlich stören.
Erfolgreiches Beispiel: Paul könnte den Sales-Kontakt an seinen Kollegen Christian delegieren, der schuldet ihm sowieso noch einen Gefallen. Das nimmt Paul sich vor.
Die Lösungshilfe muss in die Tat umgesetzt werden
Nur weil sich der Hilfestellung gestellt werden kann und sie auch noch gelegen kommt, wird sie nicht unbedingt umgesetzt. Verständlicherweise ist die Verwirklichung der Hilfestellung aber eine wichtige Voraussetzung dafür, dass Hilfe wirkungsvoll ist.
Beispiel mit der nicht erfüllten Bedingung: Paul wollte Christian ansprechen, aber irgendwie hat es sich nicht ergeben. Jetzt ist die Gelegenheit vorbei, wie ärgerlich.
Erfolgreiches Beispiel: Paul wollte Christian persönlich ansprechen, aber auch nach einer Woche hat sich keine Gelegenheit ergeben, also lädt er Christian zu einem Termin ein. Sie gehen einen Kaffee trinken und sprechen über das Projekt und die Aufgabe, die Christian gerne übernimmt.
Die Hilfestellung muss funktionieren
Die letzte Bedingung ist, dass die Hilfestellung in der Umsetzung das erwünschte Ergebnis zeigt. Sonst ist sie nicht kraftvoll.
Beispiel mit der nicht erfüllten Bedingung: Christians Zusammenarbeit mit der Sales-Abteilung klappt super, aber der Rest des Projekts ist viel komplexer als gedacht und der Liefertermin kann nicht gehalten werden. Als der Chef das von Paul hört, ist er ziemlich enttäuscht. Im Nachgang macht er Christian zum Projektleiter und gibt Paul andere Aufgaben.
Erfolgreiches Beispiel: Christians Zusammenarbeit mit der Sales-Abteilung klappt super, aber der Rest des Projekts ist viel komplexer als gedacht und der Liefertermin kann nicht gehalten werden. Paul sucht deshalb frühzeitig das Gespräch mit dem Chef und erklärt ihm die Situation. Der Chef ist dankbar, dass Paul sich dem Projekt angenommen hat, obwohl vorher so viel unklar war. Er zeigt Verständnis, dass vor dem Hintergrund der neuen Klarheiten der Termin verschoben werden muss.
Fazit
Die sieben Bedingungen machen klar, dass kraftvolles Helfen keine Tätigkeit ist, die wir mal eben so nebenbei leisten können.
Wenn dich diese sieben Schritte zu kraftvoller Hilfe abschrecken und es dazu führt, dass du zukünftig seltener Hilfe anbietest, dann ist das in Ordnung. Wahrscheinlich bietest du heute sowieso häufiger Hilfe an, als diese gewünscht wird. Das ist nicht schlecht oder gut, sondern menschlich.
Führe dich selbst zuerst!
Nadine und Henning Wolf, selbstführen W2 GmbH
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